Nach einigen eher ruhigen Sightseeing-Tagen in Belgrad, oder auch Beograd, der „weißen Stadt“, sitzen wir am 9. Juni wieder im Sattel. An diesem morgen verabschieden wir uns von Michael und Katharina, denn sie haben ein anderes Ziel als wir. Martin will noch einige Kilometer mit uns fahren, bevor er weiter der Donau zum schwarzen Meer folgt.
Vormittags verlassen wir Belgrad auf dem mehr oder weniger gut ausgeschildertem Radweg EuroVelo 6. Wir queren die Donau auf einer Autobrücke, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hat und folgen dem Weg zunächst in Richtung Kovin. Die Beschaffenheit des Weges ist anfangs wieder ein Wechsel der Gefühle. Er führt uns über einen maroden Steg inmitten eines Feldes. Weiter geht es auf der ungemähten Deichkrone. Nach rund zehn Kilometern sind wir von der Fahrt schon so erschöpft, dass wir rasten. Ein Autofahrer hält bei uns und fragt interessiert, wohin wir mit unseren Rädern auf dem Weg sind. Er spricht gut deutsch und wir berichten ihm von unseren Plänen. Er empfiehlt uns auch einen anderen Weg nach Kovin, ab vom ruckelingen Radweg auf die Landstraße.
Und so folgen wir der Landstraße von Pancevo nach Kovin. Die Straße führt lange Zeit nur geradeaus. Der Verkehr ist mäßig, es lässt sich hier ganz gut fahren. In Kovin machen wir Rast, um uns zu stärken. Kräftiger Kaffee und süßes Gebäck vom Bäcker geben uns neue Kraft für die nächsten Kilometer. Leider macht das gute Wetter nun auch eine Pause und dunkle Wolken ziehen am Himmel auf. Auf gut Glück setzen wir unsere Weiterfahrt fort in Richtung Smederevo. Nach wenigen Kilometern werden wir von einem starken Regenschauer überrascht. Wir suchen Zuflucht an einer Tankstelle. Hier sind wir zur nächsten Rast gezwungen, den der Regen prasselt nur so vom Himmel. Immerhin hat die Tankstelle free WiFi.
Eine Stunde und ein kurzes Nickerchen später lässt der Regen etwas nach und er Himmel beginnt, sich zu lichten. Wir setzen die Fahrt nach Smederevo fort, wo wir zusammen mit Martin das letzte gemeinsame Abendessen genießen. Hinter Smederevo trennen sich dann unsere Wege. Wir setzen die Fahrt in Richtung Süden fort, Martin zweigt gen Osten ab.
Die letzte Stunde im Sattel führt und in das kleine Dorf Lugacina. An einem lebhaften kleinen Shop sprechen wir die Einheimischen an und fragen, ob sie denn eine Idee hätten, wo wir heute Nacht unsere Zelte aufschlagen können. Nach einem erfolglosen Versuch spricht uns jemand auf deutsch an. Er fragt uns, ob er uns helfen könne. Wir schildern ihm kurz unser Übernachtungsproblem. Das sei gar kein Problem sagt er, wir könnten einfach bei ihm übernachten. Der nette Serbe, der ein Transportunternehmen in Wien führt, stellt sich uns als Misa vor. Wir trinken noch einige Bier zusammen, bevor wir uns gemeinsam mit ihm auf den Weg zu seinem Haus machen.
Misa hat ein großes Haus in dem Örtchen gekauft, das er aktuell renoviert. Er ist nur am Wochenende hier in Serbien, unter der Woche muss er arbeiten. Morgen will er wieder zurück nach Wien fahren. Um lange Wartezeiten an der Grenze zu vermeiden, fährt er immer schon um 5 Uhr los. Das heißt für uns, dass der morgige Tag sehr früh beginnen wird.
Doch bevor die Schlafenszeit für uns beginnt, sitzen wir zusammen mit Misa in seinem Wohnzimmer und unterhalten uns lebhaft bei einigen Flaschen serbischen Biers. Er erzählt uns von seiner Familie, von Serbien und von dem kleinen Dorf, in dem er auch aufgewachsen ist. Als Mitternachtssnack bekommen wir Weißbrot und Speck serviert.
Nach dem Essen führt er uns hinten in seinen Garten. Er sagt, er wolle uns noch etwas zeigen. Als wir den Garten betreten kommt uns seine Hündin mit vier kleinen Welpen schon entgegen. Die kleinen sind etwa vier Wochen alt und sehr niedlich. Das sage sogar ich, als jemand, der sonst keinen Bezug zu Tieren hat. Misa füttert seine Raubtiere mit Dosenfutter, dazu bekommen sie noch etwas vom köstlichen Speck. Gespannt beobachten wir die Raubtierfütterung.
Es ist nun schon halb 12. Misa ist müde, genau so wie wir, und wir bauen unser Nachtlager in einem seiner Zimmer auf. Um 4 Uhr will er aufstehen, wir ebenso. Misa freut sich, dass er Gäste aus Deutschland hat. Wir bieten ihm an, dass er gerne unser Gast sein kann, wenn er einmal nach Deutschland kommt.
Erschöpft vom langen Tag gehen wir schlafen. Es wird eine sehr erholsame Nacht, fast wie im Hotel.